BVG-Reform dank 6 und 6 AHV-Lohnprozenten? | Schweizer Personalvorsorge
Schliessen
Kommentar

BVG-Reform dank 6 und 6 AHV-Lohnprozenten?

Wieso einfach, wenn es auch kompliziert geht? Dieses Motto scheint im Zusammenhang mit der dringend notwendigen Reform des BVG noch immer fest in den Köpfen von uns Pensionskassenspezialisten zu stecken.

02.06.2025
Lesezeit: 3 min

Wieso einfach, wenn es auch kompliziert geht? Dieses Motto scheint im Zusammenhang mit der dringend notwendigen Reform des BVG noch immer fest in den Köpfen von uns Pensionskassenspezialisten zu stecken. Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb nach wiederholtem «Chlapf an Grind» durch das Schweizer Stimmvolk noch immer Lösungsansätze eingebracht werden, die nichts anderes sind als alter Wein in neuen Schläuchen. Die Pensionskassenbranche scheint an akuter «Déformation professionnelle» zu leiden – ohne Einsicht und Willen, diesen Zustand zu verändern. Statt Zwängerei braucht es jetzt grundlegende Gespräche über alle Parteigrenzen hinaus, um gemeinsame Nenner zu finden.

So revolutionär das Schweizer Drei-Säulen- System im letzten Jahrhundert war, so schwierig ist es, das Modell an die heutige Gesellschaft anzupassen. Die drei Säulen basierten nämlich auf der damaligen Annahme, dass eine Person im Normalfall 100% arbeitet, und dies während der ganzen Erwerbszeit beim gleichen Arbeitgebenden mit stetig steigendem Lohn. Deshalb ergab es Sinn, den Lohn einer zu versichernden Person so zu koordinieren, dass keine Lohnbestandteile über alle drei Säulen doppelt versichert werden und Sparbeiträge mit fortschreitendem Alter ansteigen. Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigung, hohe Fluktuation oder Bogenkarrieren waren die absolute Ausnahme und wurden im Modell kaum berücksichtigt. Auf weitere gesellschaftliche Änderungen, die schrittweise Pensionierung oder die Vielfalt der heutigen Zusammenlebensformen gehe ich an dieser Stelle nicht ein, obwohl auch sie die BVG-Reform im heutigen, alten Modell erschweren.

Aus all diesen Gründen gilt es, die Einbettung des BVG ins Drei-Säulen-Modell grundsätzlich zu überdenken und die politische Diskussion vom evolutionären Rumgebastel hin zu einem revolutionären  Greenfield Approach zu lenken.

Es gilt, die Einbettung des BVG ins Drei-Säulen-Modell grundsätzlich zu  überdenken und die politische Diskussion vom evolutionären Rumgebastel hin zu einem  revolutionären Greenfield Approach zu lenken.

Doch wo soll man anfangen? Ein möglicher Ansatzpunkt ist es, den Blick auf Berufsbranchen zu richten, wo 100%-Angestellte schon immer selten waren. Als Beispiel seien hier die Filmschaffenden genannt. Ich kann mich noch gut erinnern, welche Probleme das BVG-Obligatorium in den neunziger Jahren bei Filmproduktionen bereitete, als ich als Vorsorgeberater tätig war. Die Filmproduzenten waren bemüht, die Engagements von Schauspielern oder Technikerinnen so zu gestalten, dass sie die Eintrittsschwelle in
die 2. Säule gar nicht erst erfüllten. Das Schweizer Syndikat Film und Video (www.ssfv.ch) als Personalverband wiederum war bestrebt, Lösungen zu finden, damit die Filmschaffenden nicht zwischen Stühle und Bänke der 2. Säule fallen. Das jahrelange Ringen der Sozialpartner führte letztlich zu einer einvernehmlichen Lösung nicht nur in der Filmbranche, sondern für alle Kulturschaffenden: Im Kulturförderungsgesetz Art. 9 ist festgeschrieben, dass der Bund einen prozentualen Anteil seiner Finanzhilfen an die Pensionskasse oder eine andere Vorsorgeform der zu versichernden Personen überweisen muss.

Die Höhe des prozentualen Anteils des Förderbeitrags an die Pensionskasse wird vom Bundesrat festgelegt. Gemäss Art. 2a Abs. 3 der Kulturförderungsverordnung beträgt dieser Anteil heute 12% der subventionierten Arbeitsleistung. Bereits heute wird damit das BVG-Obligatorium der Kulturschaffenden sichergestellt. Wer wissen will, wie mit diesem einheitlichen Satz über alle Alter und ohne Definition von Eintrittsschwelle oder Koordinationsabzug das heutige BVG abgebildet werden kann, darf sich gerne als Beispiel die Vorsorgestiftung Film und Audiovision (www.vfa.ch) anschauen. Lange Rede, kurzer Sinn: Mit je 6 AHVLohnprozenten von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden, einer Eintrittsschwelle analog AHV, jedoch ohne Koordinationsabzug und Sparbeitragsstaffelung wären alle Fliegen auf einen Streich erschlagen, und vor allem würden auch Nicht-Pensionskassenspezialistinnen und -spezialisten die 2. Säule wieder verstehen.